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Des Clusters Kern

Des Clusters Kern


 

Das Element Stickstoff ist einer der essentiellen Grundbausteine des Lebens. Obwohl molekularer Stickstoff (N2) mehr als drei Viertel unserer Atemluft ausmacht, ist das Molekül aufgrund seiner Stabilität für die meisten Lebewesen unzugänglich. Daher ist die Verfügbarkeit von Stickstoff gerade in der Landwirtschaft gewöhnlich der begrenzende Faktor des Pflanzenwachstums. Landwirte lösen dieses Problem durch Düngung mit leichter mobilisierbaren Stickstoffverbindungen. Diese Stickstoffdünger werden seit über 100 Jahren in einem großtechnischen Prozess, der Haber Bosch-Ammoniaksynthese, gewonnen. Dessen Bedeutung erschließt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Ernährung von etwa 40% der derzeitigen Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen überhaupt nur durch den Einsatz von Kunstdüngern gewährleistet werden kann. Dabei wird im Haber-Bosch-Verfahren aber gleichzeitig etwa 1% der globalen Energieproduktion verbraucht: Die Fixierung von einer Tonne N2 setzt durch die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen damit etwa 1.7 t des Treibhausgases CO2 frei. Zudem wird ein Teil des Düngers auch von Mikroorganismen im Boden verbraucht, so dass nur etwa die Hälfte der ausgebrachten Menge auch wirklich bei den Pflanzen ankommt.

In der Natur findet sich eine einzige biologische Lösung für die Stickstoffumwandlung: Das bakterielle Enzym Nitrogenase ist als einziges Protein in der Lage, die chemische Reduktion von N2 zu Ammonium zu katalysieren. Die Nitrogenase gehört zu den komplexesten Vertretern seiner Art überhaupt. In seinem Aktivzentrum befindet sich der Eisen-Molybdän-Kofaktor (FeMoco), der größte und komplexeste Metall-Cluster, der je in einem Protein entdeckt wurde (siehe Abbildung). An ihm findet die chemisch außerordentlich schwierige Aktivierung des Stickstoffs statt. Trotz vielfältiger Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten weiß allerdings bis heute niemand genau, wie dies im Detail vor sich geht, und genau dadurch war es auch nicht möglich, auf der Basis des FeMoco effizientere Katalysatoren für die industrielle Stickstofffixierung zu entwickeln.

Eisen-Molybdän-Kofaktor

Bildbeschreibung:  Im Zentrum des Nitrogenase-Enzyms befindet sich das aus biologischen Systemen bislang größte bekannte Metallzentrum, der Eisen-Molybdän-Kofaktor (FeMoco). Er besteht aus sieben Eisenatomen (grau), neun Schwefelatomen (gelb) und einem Molybdänatom (braun). In seinem Zentrum findet sich zudem ein leichtes Atom (schwarz), das nun als ein Kohlenstoff identifiziert werden konnte.

 

Die Funktion des Enzyms Nitrogenase ist ein zentrales Forschungsthema der Arbeitsgruppen von Oliver Einsle und Susana Andrade am Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Freiburg. Nach der Entdeckung des zentralen Atoms im Metallzentrum war lange nicht klar, welchem chemischen Element dieses Atom zuzuordnen war. In Zusammenarbeit mit Müge Aksoyoglu, Erik Schleicher und Stefan Weber am Institut für Physikalische Chemie in Freiburg und Douglas Rees vom California Institute of Technology in Pasadena (USA), konnte nun durch die Kombination verschiedener analytischer Techniken gezeigt werden, dass es sich bei diesem zentralen Atom in der Tat um Kohlenstoff handelt. Diese Einsicht wird von großer Bedeutung für das Verständnis der Biogenese und Funktionalität des Clusters sein. Sie wurde durch die präparative und kristallographische Arbeit von Thomas Spatzal aus der Arbeitsgruppe Einsle, den Elektronenspinresonanz-spektroskopischen Messungen von Müge Aksoyoglu aus der Arbeitsgruppe Weber und den kristallographischen Analysen von Limei Zhang am Caltech erst möglich. Bei diesen Arbeiten wurde die Raumstruktur des Enzyms in bislang unerreichter Auflösung beschrieben. Parallel dazu wurden Untersuchungen mittels elektronenparamagnetischer Resonanzspektroskopie an isotopenmarkiertem Protein durchgeführt. Beide Methoden, ebenso wie die parallel von kollaborierenden Arbeitsgruppen am Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie in Mühlheim an der Ruhr und der University of California in Irvine (USA) publizierte Arbeit, kamen zum gleichen eindeutigen Ergebnis: Der FeMoco-Kofaktor hat einen Kern aus Kohlenstoff. Die Möglichkeit eines funktionellen Nachbaus des Enzyms ist nun in greifbare Nähe gerückt.


Veröffentlichung: Thomas Spatzal, Müge Aksoyoglu, Limei Zhang, Susana L.A. Andrade, Erik Schleicher, Stefan Weber, Douglas C. Rees, Oliver Einsle. „Evidence for Interstitial Carbon in Nitrogenase FeMo Cofactor“. Science 334 (2011) 940, http://dx.doi.org/10.1126/science.1214025