Klassische Molekulardynamik
Können amphiphile Moleküle wie Kokain die Lipiddoppelschicht von Zellmembranen passieren?
Klassische Molekulardynamik-Simulationen geben dazu Einblicke.
Die Computersimulation der Bewegung von Molekülen in großen Systemen ermöglicht es heute, wichtige biologische Systeme, wie die Lipiddoppelschicht von Membranen, zu untersuchen. Lipiddoppelschichten sind als semipermeable Membran zentral für die Funktion von Zellen. Sie bilden eine Barriere nach außen und ermöglichen eine Kompartimentierung der verschiedenen Zellfunktionen im Inneren. Für die Forschung von Interesse ist, wie kleine Moleküle, also medizinische Wirkstoffe, kleine Peptide und ähnliches, die Lipiddoppelschicht passieren können.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Freiburg und Tunis haben in Zusammenarbeit zu dieser Frage das Molekül Kokain in den Fokus genommen und mit Hilfe der klassischen Molekulardynamik-Simulation die Diffusion von Kokain durch eine Lipiddoppelschicht untersucht.
Kokain ist ein amphiphiles Molekül, d.h. es ist sowohl hydrophil als auch lipophil.
Es kann die die Blut-Hirn-Schranke passieren und gehört zu den am stärksten abhängig-machenden Drogen. Seine lipophilen Eigenschaften legen nahe, dass Kokain passiv durch die Lipiddoppelschicht diffundieren könnte. Kokain wirkt in wässrigem Milieu aber auch als schwache Base und könnte in der protonierten Form mit Hilfe eines Protonen-Antiports durch die Membran transportiert werden. Die Kenntnis des genauen Transportmechanismus des Kokains durch die Membran ist z.B. wichtig für die medizinische Behandlung von Kokain-Abhängigkeiten.
Die Simulationen zeigen den Mechanismus der Diffusion des Kokains durch die Lipiddoppelschicht, die das Molekül in weniger als eine Millisekunde passiert. Sein amphiphiler Charakter erleichtert dabei die Diffusion, weil das Molekül sich sowohl an hydrophobe (in der Mitte der Membran) als auch an hydrophile Umgebungen (Außenseite der Membran) anpassen kann.
Die Ergebnisse liefern einen ersten Grundmechanismus für die Diffusion des Kokains durch eine Lipiddoppelschicht. Die Entwicklung besserer Algorithmen und größerer Rechnerkapazitäten wird bald auch die Simulation komplexerer Systeme ermöglichen, wie sie im Endothel der Blut-Hirn-Schranke vorliegen.
1DMPC ist Dimyristoylphosphatidylcholine, ein synthetisches Phospholipid, das verwendet wird um biologische Membranen zu untersuchen.
Bild: Simulations-Momentaufnahme mit dem Kokain-Molekül im Inneren der Lipiddoppelschicht aus DMPC-Lipiden (grüner Kopf und graue Schwänze).
Originalpublikation:
Sangwar Wadtey Oung, Nora Kremer, Safa Ben Amara, Ali Zaidi and Thorsten Koslowski
Protonation and orientation: a computational approach to cocaine diffusion through a model membrane
Phys. Chem. Chem. Phys. 24 (2022) 14219–14227
Kontakt:
Prof. Dr. Thorsten Koslowski
Institut für Physikalische Chemie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Telefon: +49 761 / 203- 6182
E-Mail: thorsten.koslowski@physchem.uni-freiburg.de