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Reinhard Mecke

Pionierarbeiten zur Infrarotspektroskopie: Reinhard Mecke (1895 - 1969)

zusammengefasst von Prof. Dr. Peter Gräber

 

Licht, dessen Wellenlänge größer als die des sichtbaren Lichts ist, bezeichnet man als Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung). Die Infrarotspektroskopie untersucht an Hand der Wechselwirkung dieser Strahlung mit der Materie die Struktur von Molekülen. REINHARD MECKE war einer der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet und hat in den Jahren 1940 bis 1963 das Institut für Physikalische Chemie der Universität Freiburg zum Zentrum der Infrarotspektroskopie in Deutschland gemacht.
R. MECKE studierte Physik in Freiburg, Bonn und Marburg. Nach seiner Doktorarbeit bei F. RICHARZ in Marburg ging er an die Universität Bonn und begann dort mit seinen Arbeiten zur Molekülspektroskopie. Seine erste Professur erhielt er an der Universität Heidelberg, wobei passender Weise sein Labor in dem Gebäude untergebracht war, in dem Robert BUNSEN und Gustav KIRCHHOFF 1860 die Spektralanalyse entdeckt hatten. Er ging 1937 als Professor für Theoretische Physik an die Universität Freiburg, wurde 1942 als Nachfolger von Walter NODDACK Professor für Physikalische Chemie und blieb dies bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1963.
Nach seiner Promotion untersuchte er an der Universität Bonn die elektronischen Bandenspektren kleiner Moleküle im sichtbaren Bereich. Der Infrarotspektroskopie wandte er sich erst nach der Entwicklung infrarotsensitiver Photoplatten (1929) durch die Firma Agfa zu. Er konnte hochaufgelöste Infrarotspektren messen, und es gelang ihm, die Längen der chemischen Bindungen und die Winkel zwischen diesen Bindungen höchst präzise zu bestimmen. Er konnte damit erstmalig die Strukturen von kleineren Molekülen genau angeben. So konnte er z.B. zeigen, dass Acetylen ein lineares und Wasser ein gewinkeltes Molekül ist mit OH-Bindungslängen von 97 Picometer (10-12 m) und einem Winkel von 104,1 Grad zwischen den Bindungen. Er entwickelte das Konzept der verschiedenen Schwingungsarten in Molekülen. Viele Begriffe, die auch heute noch verwendet werden, wie Valenzschwingung (Dehnung und Stauchung der chemischen Bindung),  und Deformationsschwingung (Änderung des Winkels zwischen chemischen Bindungen) gehen auf seine Arbeiten zurück. Er fand auch, dass die Kraftkonstanten der Valenzschwingungen um etwa den Faktor 10 größer sind als die der Deformationsschwingungen. Mit der Verfügbarkeit von hochempfindlichen Infrarotdetektoren (photo­elektrische PbS-Zellen) und von automatisch registrierenden Zweistrahl Spektrometern verschob sich sein Arbeitsgebiet weg von der Strukturbestimmung mit Hilfe hochaufgelöster Spektren hin zu der Anwendung der Infrarotspektroskopie zur Analyse organischer Verbindungen. Auf Grund der Messung von Infrarotspektren einer Vielzahl von organischen Verbindungen konnte den verschiedenen Atomgruppen in den Molekülen („funktionelle Gruppen“) bestimmte Frequenzbereiche zugeordnet werden. Diese Zuordnung erlaubte es, die Anwesenheit dieser Gruppen in den untersuchten Molekülen zu erkennen. Man konnte die Zusammensetzung unbekannter Proben ermitteln und die Reinheit von neu synthetisierten Verbindungen überprüfen. Diese Anwendungen haben die qualitative organische Analyse revolutioniert und ab 1950 wurde die Infrarotspektroskopie zur wichtigsten analytischen Methode in der organischen Chemie, die jeder Student bereits im Anfängerpraktikum kennen lernte.

Die Infrarotspektroskopie ist auch geeignet zur Messung thermodynamischer Größen, z.B. von Assoziationsgleichgewichten zwischen Molekülen, die sich auf Grund von Wasserstoffbrückenbindungen einstellen. Die größte Bedeutung haben solche intermolekulare Bindungen durch Wasserstoffbrücken bei der Basenpaarung in den DNS-Molekülen der Erbsubstanz, wo sie die Grundlage für die gegenseitige Erkennung der verschiedenen Moleküle bilden. Auch für die Ausbildung dreidimensionaler Strukturen in Proteinen sind Wasserstoff-brückenbindungen essentiell. Diese beiden Anwendungen der Infrarot-spektroskopie wurden nicht nur in der Grundlagenforschung an den Universitäten eingesetzt, sondern fanden vielfältige Anwendungen, auch in der industriellen Forschung. MECKE sorgte für die schnelle Verbreitung dieser Methodik durch die Organisation von Kursen für potentielle Anwender. Bis 1964 hat er insgesamt 14 Kurse zur Methodik der Infrarotspektroskopie für Wissenschaftler aus der Industrie und den Universitäten durchgeführt. In diesen mehrtägigen Kursen mit bis zu 40 Teilnehmern wurden die neuesten Entwicklungen an praktischen Beispielen gezeigt und es waren alle Mitarbeiter des Instituts, vom fortgeschrittenen Studenten bis zum Professor, als Lehrkräfte eingesetzt. Bis heute ist die Infrarotspektroskopie eine wichtige analytische Methodik in der organischen Chemie, deren Bedeutung durch die Entwicklung neuer Geräte und digitaler Auswertemethoden (Fourier Transform Infrarot Spektroskopie) noch zugenommen hat. Die Methodenentwicklung in der Infrarotspektroskopie wurde und wird an der Universität Freiburg durch Th. Ackermann und F. Siebert fortgesetzt.
Das Institut für Physikalische Chemie wurde 1944 bei einem Bombenangriff auf Freiburg teilweise zerstört. Mitarbeiter und Geräte wurden nach Wallhausen am Bodensee ausgelagert und erst nach dem Wiederaufbau 1949 konnte der Forschungsbetrieb in Freiburg wieder aufgenommen werden.

Im Jahr 1927 hatten Reinhard MECKE und Maria GUILLERY geheiratet, nachdem sie ihre Dissertation bei ihm erfolgreich abgeschlossen hatte. Sie hatten acht Kinder und im Zusammenhang mit MECKEs trockenem Humor wird hierzu folgende Anekdote berichtet: Ein Gastwissenschaftler machte bei MECKE zu Hause seinen Antrittsbesuch und fand ihn im Garten vor, umgeben von einigen spielenden Kindern. Nach der üblichen Begrüßung fragte der Gast: „Herr Professor, I assume some of these children are yours?“ MECKE antwortete: „No, these are some of my children.“

Im Jahr 1957 gelang es MECKE in Freiburg das Institut für Elektrowerkstoffe der Fraunhofer Gesellschaft (heute das Institut für Angewandte Festkörperphysik) zu gründen und er war dessen Direktor bis 1968. In diesem Institut wurde angewandte Forschung auf den Gebieten der Kernresonanzspektroskopie, Mikro­wellenspektroskopie, Infrarotspektroskopie und Infrarotdetektion betrieben, aber auch Flüssigkeitskristalle und ihre Anwendung für Anzeigen entwickelt und Halbleiter untersucht.




Literatur:
LÜTTKE, W., NONNENMACHER, G. A. A. (1995): REINHARD MECKE (1895 – 1969): Scientific Work and Personality; J. Mol. Struct. 347: 1-18