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Georg von Hevesy

Die Entwicklung der Röntgenfluoreszenz und die Anfänge der Nuklearmedizin:

Georg von Hevesy (1855 - 1966)

 

zusammengefasst von Prof. Dr. Peter Gräber

 

Die Entwicklung der Chemie im 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch die Verwendung neuer physikalischer Methoden zur Lösung chemischer Probleme. Die Entdeckung der beiden letzten stabilen chemischen Elemente mit Hilfe der Röntgenspektro­skopie ist ein Beispiel hierfür. Das Periodensystem der Elemente war empirisch von Dimitri MENDELEJEFF und Lothar MEYER 1869 entwickelt worden und an Hand der Lücken in diesem System konnte man erkennen, dass einige Elemente noch zu entdecken waren, und – noch wichtiger - man konnte auf Grund der Eigenschaften der benachbarten Elemente auch Voraussagen über die zu erwartenden Eigenschaften der unbekannten Elemente machen.
Die Röntgen­strahlung war 1895 von Wilhelm RÖNTGEN (Nobelpreis 1901) entdeckt worden und Henry MOSELEY hatte 1913 den Zusammenhang zwischen den Wellenlängen der emittierten Röntgenstrahlung eines Elements und seiner Kernladungszahl gefunden. Damit hatte man eine Methodik in der Hand, ein Element röntgenspektroskopisch eindeutig zu identifizieren. Freiburger Wissenschaftler waren an der Entwicklung und Anwendung dieser Methodik wesentlich beteiligt und konnten damit die letzten beiden noch unbekannten nicht radioaktiven Elemente identifizieren.

GEORG VON HEVESY (geboren 1885 in Budapest) studierte Chemie und Physik an den Universitäten Budapest, Berlin und Freiburg. Nach seiner Doktorarbeit bei Georg MEYER am Institut für Physikalische Chemie der Universität Freiburg wurde er 1908 mit 23 Jahren promoviert. Das akademische Leben in dieser Zeit war stärker von den persönlichen Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden geprägt als heute, wie man einer Anekdote VON HEVESYs entnehmen kann: „Wenige Tage nach meinem Doktorexamen tauchte am Rinken aus dem dichten Nebel die gut eingehüllte Gestalt des damaligen Rektors Gerhard von Schulze-Gävernitz auf, der mir mitteilte, dass er am vorhergehenden Tag mein Diplom unterschrieb.“
Nach Assistententätigkeit bei Richard LORENZ, Zürich, und Fritz HABER, Karlsruhe, arbeitete er in den Jahren 1911 bis 1914 bei Lord Ernest RUTHERFORD, Manchester, (Nobelpreis 1908) und lernte die neuesten kern­physi­kalischen und kernchemischen Methoden und Konzepte kennen. RUTHERFORD hatte ihm die Aufgabe gestellt, Radium D, einen radioaktiven Stoff, der beim Zerfall von Radium entsteht, von Blei zu trennen, wobei man damals noch nicht wusste, dass Radium D ein radioaktives Bleiisotop ist. Zu dieser Zeit hatte man überhaupt noch nicht entdeckt, dass Elemente verschiedene Massenzahlen („Isotope“) haben können. Die Versuche misslangen daher völlig, VON HEVESY zog aber daraus einen Schluss, der bestimmend für seine weiteren Forschungsarbeiten war: Da das Verhalten von Radium D und Blei völlig identisch ist, kann man den radioaktiven Stoff als Indikator (heute: Tracer) verwenden, indem man ihn mit Blei mischt und die hochempfindliche Messung der Radioaktivität verwendet, um geringe Spuren von Blei nachzuweisen. Die Umsetzung dieser Idee an vielen Beispielen aus der Physik, Chemie, Geo­chemie, Biologie und Medizin – zuerst unter Verwendung natürlicher radio­aktiver Isotope, später unter Verwendung künstlicher radioaktiver Isotope – ist sein größter Beitrag zur Wissenschaft, für den er 1943 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Über die erste Anwendung eines radioaktiven Indikators hat VON HEVESY viele Jahre später berichtet: In einer Pension in Manchester servierte die Wirtin den Gästen die ganze Woche lang Fleisch. Als VON HEVESY den Verdacht äußerte, dass das Fleisch vom Vortag aufgewärmt wurde, entgegnete sie, dass jeden Tag frisches Essen serviert wird. Als er eines Tages unbeobachtet war, gab er in die Essensreste radioaktives Material, das er am nächsten Tag wieder im Essen nachweisen konnte.

Nach dem ersten Weltkrieg erhielt VON HEVESY ein Angebot des berühmten Physikers Niels BOHR (Nobelpreis 1920), seine wissenschaftlichen Arbeiten im Institut für Theoretische Physik in Kopenhagen fortzusetzen. Dort begann er 1922 die systematische Suche nach dem noch fehlenden Element Nr. 72 des Perioden­systems. Dirk COSTER baute zu dieser Zeit ein neues Röntgen­spektro­skop auf, mit dem sie verschiedene Zirkonminerale untersuchten und sie konnten die auf Grundlage des MOSELEY’schen Gesetzes berechneten Röntgen­linien des Elements 72 entdecken. Das neue Element wurde Hafnium genannt nach dem alten Namen der Stadt Kopenhagen. In weiteren Arbeiten beschäftigte VON HEVESY sich mit der Anreicherung und Trennung des Hafniums von Zirkonium, die schließlich durch fraktionierte Kristallisation der Fluoride gelang. Um die Effizienz der Anreicherung kontrollieren zu können, verwendete er erstmalig die Intensität der Röntgenlinien des Hafniums, die er mit den Linien der Nachbar­elemente kalibrierte. Er schuf damit die Grundlage der quantitativen Röntgen­spektralanalyse.
Auf Grund dieser Arbeiten erhielt er Rufe an verschiedene deutsche Universitäten und wurde 1926 Nachfolger seines Lehrers Georg MEYER an der Universität Freiburg. Neben der Ausarbeitung seiner Vorlesungen über physikalische Chemie und der Versuche des physikalisch-chemischen Prakti­kums baute er in der Forschung die quantitative Röntgen­spektral­analyse aus und entwickelte in Freiburg die Röntgen­fluoreszenz­analyse. Bei den früheren Arbeiten mit der Röntgenspektroskopie wurden die Proben in die Röntgenröhre eingebracht, dort mit Elektronen beschossen und das Spektrum der austretenden Strahlung analysiert. VON HEVESY verwendete die Röntgenröhre zur Erzeugung der Strahlung, die Probe befand sich außerhalb der Röhre, wurde mit der Röntgenstrahlung bestrahlt und die von der Probe ausgesandte Sekundärstrahlung (Fluoreszenzstrahlung) wurde spektral analysiert. Durch Zumischung einer definierten Menge eines bekannten Elements konnte er auch dessen Spektrallinien messen und er konnte diese zur Kalibrierung der Apparatur verwenden. Er war dadurch in der Lage, durch den Vergleich der Intensitäten quantitativ die Anteile der verschiedenen Elemente in der Probe zu bestimmen. Man nennt dies die quantitative Röntgenfluoreszenzanalyse. Diese ist heute eine Standardmethode in Wissenschaft und Technik zur qualitativen und quantitativen Elementaranalyse von festen Stoffen (Mineralien, Legierungen, Keramiken). VON HEVESY hat damit die Verteilung der Elemente in Mineralien und Meteoriten quantitativ bestimmt und er konnte damit auch erstmals das richtige Alter von Mineralien ermitteln. Daneben führte er die Isotopen­verdünnungs­analyse ein und hat hier die ersten physio­lo­gi­schen Untersuchungen mit radioaktivem Blei und Wismut an Mäusen durchgeführt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Freiburger Zeit sind in etwa 60 Publikationen niedergelegt. Für die weitere Entwicklung des Instituts war wichtig, dass er im Wintersemester 1930/31 Gastvorlesungen in den USA hielt, worauf die Rockefeller Stiftung ihm für den weiteren Ausbau seiner Arbeitsmöglich­keiten beträchtliche Mittel (100.000,-- RM) zusagte, sofern der badische Staat auch einen entsprechenden Anteil investiert. Dieser Initiative hat das Institut für Physikalische Chemie seinen Erweiterungsanbau zu verdanken.
VON HEVESY hatte 1924 Pia Rijs geheiratet und zwei ihrer vier Kinder wurden in Freiburg geboren. Auf Grund der politischen Entwicklung in Deutschland nach 1933 bat er um Entlassung aus dem badischen Staatsdienst. Er über­siedelte Ende 1934 nach Kopenhagen, wo er wiederum im Bohr’schen Institut arbeiten konnte. VON HEVESY entwickelte dort die Neutronenaktivierungs­analyse, die er zur Analyse von Gemischen der Seltenen Erden einsetzte. Sein Hauptinteresse galt aber den künstlich hergestellten Radioisotopen, insbesondere den leichteren Elementen wie Phosphor-32, die sich hervorragend als Indikatoren für biolo­gische Prozesse eigneten.
Er untersuchte in Kooperation mit Bio­chemikern, Medizinern und Biologen verschiedene Stoffwechselvorgänge unter anderem auch den Austausch von Phosphat in Knochen. Er beobachtete den Einbau von radioaktivem Phosphat in die Erbsubstanz (DNS) von Sarkomen in Ratten und konnte zeigen, dass Röntgenstrahlen diesen Einbau verringerten. Er erhielt den Nobelpreis für Chemie 1943 für sein „Werk zum Gebrauch von Isotopen als Indikatoren beim Studium chemischer Vorgänge“. Er übersiedelte mit seiner Familie 1943 nach Stockholm und konnte dort seine Forschungsarbeiten bis 1961 fortsetzen. Seine Methoden haben in den folgenden Jahren vielfältige Anwendungen in der Medizin gefunden und zur Entwicklung der Nuklearmedizin geführt. G. VON HEVESY gilt daher auch als der „Vater der Nuklearmedizin“.
Außer seiner Tätigkeit als Professor in Freiburg hatte VON HEVESY nie eine feste Anstellung, er war in allen anderen Instituten als Gastwissenschaftler tätig. Die Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg ehrte ihn 1949 mit der Verleihung des Ehrendoktors, die Medizinische Fakultät tat dies 1959. Nach 1961 verschlechterte sich sein Gesundheits­zustand, er zog zur Behandlung nach Freiburg, wo er am 05.07.1966 starb und beerdigt wurde. Im Jahr 2002 wurde er auf den Nationalfriedhof in Budapest umgebettet.

Literatur:
Siegfried Niese: Georg VON HEVESY, Wissenschaft ohne Grenzen
ISBN 3-00-015374-8
ISBN 978-3-89969-081-1